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Schlaganfall-Reha: Die Zukunft lässt grüßen

Aktualisiert: 29. Juli

Nach einem Schlaganfall gilt bislang: abwarten, Physio und das Beste hoffen. Doch nicht jeder Patient profitiert gleich viel und erholt sich vollständig – geht’s nicht besser?




Schlaganfälle sind in Deutschland der häufigste Grund für eine stationäre Krankenhausaufnahme. In den letzten Jahren konnte sich die Akuttherapie durch Methoden wie die Thrombolyse und die Thrombektomie deutlich verbessern. Trotzdem tragen nach wie vor viele der Patienten längerfristige Defizite wie Sprachstörungen und halbseitige Lähmungen davon.


Um diese Funktionseinschränkungen zu behandeln, bleiben bislang nur rehabilitative Verfahren mit einem eher durchwachsenen Erfolg. „Wir können teilweise gar nicht sagen, welcher Patient sich wieder erholt und welcher Patient sich nicht erholt“, stellt Prof. Christian Grefkes-Hermann, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Frankfurt fest. Auf einer Pressekonferenz stellt der 1. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) eine Behandlungsmethode vor, die den bisherigen Werkzeugkasten wirksam ergänzen könnte: die transkranielle Magnetstimulation (TMS).


Gestörte Balance

Die motorischen Defizite nach einem Schlaganfall resultieren aus Störungen der Netzwerkkonnektivität des menschlichen Gehirns. Nach einer fokalen Schädigung müssen die zerebralen Netzwerke ihre strukturelle und funktionelle Anatomie reorganisieren, um die Läsion und ihre Fernwirkungen möglichst gut zu kompensieren. Die funktionelle MRT erlaubt es, diese Änderungen in der Netzwerkaktivität zu verfolgen und auch zu analysieren, welche Beiträge einzelne Hirnareale dazu leisten.


Grefkes-Hermann erläutert, dass beispielsweise beim Heben einer Hand ein komplexes Wechselspiel aus erregenden und hemmenden Einflüssen aus unterschiedlichen Hirnregionen stattfindet. Und genau dieses Wechselspiel ist bei Schlaganfallpatienten gestört. Der DGKN-Vizepräsident führt aus: „Wir haben Hinweise, dass bei diesen Patienten die gesunde Hemisphäre die erkrankte Hemisphäre überschießend hemmt und somit das Defizit der Patienten verstärken könnte.“ Mit zunehmender Erholung nähert sich das Muster auch wieder der ursprünglichen Netzwerkstruktur an – je besser das funktioniert, desto besser erholt sich der Patient.


„Basierend auf diesen Ergebnissen kann man zwei therapeutische Prinzipien ableiten“, so Grefkes-Hermann. Seien bei einem Patienten Areale der gesunden Hirnhemisphäre überschießend aktiv, sollte man diese mit spezifischen Interventionsverfahren hemmen. „Andererseits können wir auch Areale in der betroffenen Hemisphäre, die unteraktiv sind, […] in ihrer Aktivität steigern und somit die Netzwerkbalance wieder herstellen.“


Die Zukunft der Schlaganfall-Reha?

Die TMS bietet diese Möglichkeit. Das Verfahren bedient sich starker, kurzer Magnetfelder, die im Hirngewebe elektrische Felder induzieren und so Nervenzellen – je nach eingesetzter Frequenz – aktivieren oder hemmen können. Über MRT lässt sich gezielt steuern, welche Hirnregionen stimuliert werden sollen. „Eine sehr präzise Stimulation einzelner Hirnregionen ist damit möglich“, erklärt Grefkes-Hermann.


Mit seiner Arbeitsgruppe gelang es ihm bereits experimentell zu belegen, dass sich die Netzwerkmuster von Schlaganfallpatienten auf diese Art normalisieren ließen. Unmittelbar nach der Stimulation ließen sich so auch die motorischen Fähigkeiten in den Händen der Patienten verbessern. Ihre weiteren Studien zeigten, dass Patienten, die zusätzlich zur üblichen Physiotherapie stationär mit aktivierender TMS behandelt wurden, sich schneller und nachhaltiger erholten als Patienten, die nur mit Physiotherapie und einer Scheinprozedur behandelt wurden.


Dabei ist auch nicht zwingend ein teures MRT als Bildgebung nötig. Als Weiterentwicklung lässt sich die TMS auch mit der altbekannten Elektroenzephalographie (EEG) kombinieren, um die Hirnaktivität in Echtzeit zu messen. „Man kann dieses Verfahren auch direkt im Patientenbett durchführen“, berichtet Grefkes-Hermann.


„Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Jahren die Hirnstimulation als festen Bestandteil der Schlaganfall-Therapie etablieren werden“, so der DGKN-Vize. Der Einsatz künstlicher Intelligenz könnte die Therapie zusätzlich verbessern. Auf Basis der patientenspezifischen Netzwerkmuster könnten Algorithmen den Erholungserfolg frühzeitig vorhersagen und so eine individuelle Optimierung der Behandlungsmethoden ermöglichen. Bis solche Methoden ihren Weg in die breite Anwendung finden, wird es aber noch etwas Zeit brauchen: Die Technik ist zwar vorhanden, aber erstmal sind noch mehr klinische Studien erforderlich, um den Mehrwert solcher personalisierten Behandlungen für den Patienten zu validieren.



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