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Gestern topfit, heute Pflegefall Schlaganfall - es kann jeden treffen

Aktualisiert: 19. März 2022

Viele Patienten erhalten keine passende Therapie

Mit Anfang 30 erlitt Thomas Masztalerz einen Schlaganfall und musste sich mühsam zurück ins Leben kämpfen. Ein solcher Schicksalsschlag widerfährt zunehmend jungen Menschen, selbst Kinder kann es treffen.

„Der 14. Juli 2012 - das war der Tag, an dem für mich die Erde still stand“, sagt Thomas Masztalerz. Es war Sommer, es war heiß, und der damalige Grundschulrefrendar hatte seit Tagen nicht viel getrunken - es einfach vergessen. Aber was sollte schon passieren? Wie üblich absolvierte damals der 31-Jährige daheim in seiner Wohnung sein Work-Out - da passierte es: „Plötzlich fühlte es sich an, als sei mein Arm eingeschlafen.“ Im ersten Moment dachte Masztalerz sich noch nichts dabei. Doch die Taubheit verschwand nicht, im Gegenteil. Bald konnte er die Finger nicht mehr bewegen, dann kippte er zur Seite. Seine gesamte linke Seite war gelähmt, auch das Sprechen fiel ihm schwer: „Meine Gedanken waren ganz zäh.“

Sportler, Nichtraucher, Kinder- und trotzdem Schlaganfallpatient

Jedes Jahr erleiden in Deutschland 280.000 Menschen einen Schlaganfall, rund 63.000 von ihnen sterben an den Folgen. Damit ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache. Erschreckend: Rund 300 Kinder sind pro Jahr in Deutschland betroffen, etwa ein Drittel von ihnen bereits im Mutterleib oder während der Geburt.

Auch Thomas Masztalerz hätte nie gedacht, dass ausgerechnet ihn dieses Schicksal ereilen könnte. Er war jung, Sportler, hatte nie geraucht, trank nicht. „Aber als die Ärzte mich vor die Wahl stellten, entweder meine Schädeldecke zu öffnen, um den Hirndruck zu verringern, oder mir blutverdünnende Medikamente zu geben, begriff ich, dass gerade etwas Schlimmes passiert.“


Mühsamer Weg zurück ins Leben

Laut aktuellen Zahlen der Deutschen Schlaganfall-Hilfe sind rund 64 Prozent der überlebenden Patienten ein Jahr nach dem Schlaganfall noch pflegebedürftig. Auch für Thomas Masztalerz war es ein weiter Weg, bis er die Herrschaft über seinen Körper zurückgewann. Bereits am ersten Tag besuchte ihn ein Physiotherapeut und forderte ihn auf, sich vorzustellen, wie er seinen linken Arm bewegt. „Das war, als sollte ich Telekinese betreiben, also mit meinen Gedanken einen Gegenstand bewegen“, erzählt der junge Lehrer. Doch schon nach wenigen Tagen fiel sein Arm nicht mehr herunter, wenn der Therapeut ihn losließ. „Von da an war mein Ehrgeiz geweckt.“

Der Physiotherapeut arbeitet nach dem „Bobath“-Konzept: Dabei versucht er, durch ständiges Wiederholen bestimmte Bewegungsabläufe wieder neu im Gehirn zu „verankern“. So sollen Hirnzellen in der Nähe der geschädigten Stelle deren bisherige Funktion übernehmen.

16 Wochen verbrachte er anschließend in der Reha, lernte dort mühsam, wieder zu laufen.

Viele Patienten erhalten keine passende Therapie

Die Bobath-Methode ist anerkannt. Sofern ein Arzt sie verschreibt, übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Doch das ist stets eine Einzelfallentscheidung. „Nach wie vor bestehen deutschlandweit gravierende Engpässe bei der ambulanten Versorgung von Schlaganfallpatienten“, kritisiert Schlaganfallexperte Gruhn. So beklagte in einer Umfrage, die Gruhn zusammen mit der Fachzeitschrift „not“ und der Deutschen Schlaganfall-Hilfe durchführte, über ein Drittel der Befragten, dass sie auch zwei Wochen nach der Entlassung aus der stationären Reha noch keine weiteren Maßnahmen verordnet bekommen hätten. 24 Prozent der Befragten fühlten sich nicht gut über ambulante Behandlungsmaßnahmen informiert.

14 Prozent glaubten, ihre Therapie sei zu unspezifisch. „Zwei Mal die Woche eine halbe Stunde Krankengymnastik ist für viele Schlafanfall-Patienten zu wenig, um den Weg zurück in ein selbstständiges Leben zu finden“, sagt Gruhn, der selbst Ärzte, Psychologen und andere Physiotherapeuten ausbildet. In vielen Fällen bekämen Patienten leider nur dann die richtige Behandlung, wenn sie sich selbst informieren und entsprechende Forderung stellen.

Thomas Masztalerz geht heute wieder joggen, trainiert eine Handball-Jugendmannschaft und unterrichtet. Leicht fällt ihm das allerdings nicht. Am schwersten fällt es Thomas Masztalerz, geduldig zu bleiben. Seine Therapien nehmen viel Zeit in Anspruch, fast wie ein Nebenjob.

„Ich hatte Glück“, sagt er. „Ich habe ein zweites Leben geschenkt bekommen - und dafür bin ich dankbar.“

Quelle Focus-Gesundheit

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