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Jedes zehnte Kind hat Migräne

Migräne gilt als Erwachsenenkrankheit. Deshalb erhalten betroffene Kinder zu spät Hilfe. Dabei könnte man Schlimmeres verhindern.

Sara, 4, schläft beim Spielen manchmal einfach ein. Jonas, 6, wird blass und erzählt von einem «komischen Gefühl im Bauch». Und Lea, 11, fehlt oft in der Schule, weil das Kopfweh erst nachlässt, wenn sie erbrechen konnte.

Alle drei haben Migräne. Doch bis zu dieser Diagnose dauerte es lange. Eigentlich erstaunlich, denn viele Kinder leiden daran. Je nach Erhebung hat jedes zehnte oder jedes sechste Kind entsprechende wiederkehrende Schmerzen. Die Anfälle sind oft relativ kurz – eine halbe bis maximal vier Stunden. Deshalb zögern viele Eltern, zum Kinderarzt Gesundheit Suche dringend Kinderarzt zu gehen.

Fast immer ist ein Elternteil auch von Migräne betroffen

Zudem sei Migräne «ein bunter Vogel», sagt Reto Agosti, Leiter des Kopfwehzentrums Hirslanden in Zürich. Die Beschwerden zeigen sich immer wieder anders, gerade bei Kindern. Das erschwert eine genaue Diagnostik. Viele schlafen einfach ein, wenn sich eine Migräne anschleicht, und wachen eine Stunde später putzmunter wieder auf. Einige Grössere leiden unter einer sogenannten Aura, die der Migräneattacke vorangeht, und sehen flimmernde Muster oder Lichtblitze. Anderen schlafen die Hände ein. Oder sie können nicht mehr gut sprechen. Wieder andere erbrechen wiederholt, ohne die Kopfschmerzen wahrzunehmen.

Migräne

Fehlalarm des Gehirns: Gerade Kinder, die ständig voll verplant sind, haben ein erhöhtes Risiko für Migräne

«Grundsätzlich ist immer an Migräne zu denken, wenn ein Kind Kopfschmerzen hat und sich über das Licht oder Gerüche beklagt – oder sagt, ihm sei schlecht oder es sei sehr müde», sagt Agosti. Und Tobias Iff, Kinderarzt und Neurologe aus Zürich, rät zu einem Blick in die Familiengeschichte. «Bei Kindern mit Migräne findet sich fast immer ein Elternteil, der ebenfalls darunter leidet.» Ein biologischer Marker wurde bisher aber nicht gefunden.

Total gestresste Kindergärtler

Meist bekommen die Kopfwehspezialisten betroffene Kinder im Alter von elf, zwölf Jahren zu sehen. «In dieser Zeit steigt der schulische Druck – und damit die Häufigkeit der Migräneanfälle», sagt Agosti. Wenn er die Agenden gewisser Kinder sehe, wunderten ihn die Symptome nicht. «Kindergartenkinder, die keine Minute unverplant sind – da ist die Migräne ein Fehlalarm des Gehirns. Ein Fehlalarm, der dem Körper eine Pause aufzwingt.» Auch Tobias Iff verweist auf Faktoren, die den Lebensstil betreffen. «Zu wenig Schlaf, zu viel Medienkonsum, Energy- und Koffeindrinks können zum Beispiel eine Attacke auslösen.»

Es brauche aber eine genetische Veranlagung, damit man auf Stress mit Migräne reagiere, sagen beide Experten. Sonst entwickle man auch im grössten Stress keinen Migräneanfall. Die gute Nachricht: Migräne kann von einem Tag auf den andern verschwinden. Die schlechte: Drei Viertel der betroffenen Kinder werden auch als Erwachsene an Migräne leiden.

«Gerade darum ist eine korrekte und ausreichende Therapie bei Kindern wichtig», sagt Neurologe Iff. Die wenigen Studien zu Migräne bei Kindern zeigten, dass eine rechtzeitige Behandlung Migräne Sport als Prophylaxe verhindern kann, dass die Beschwerden chronisch werden. Unbehandelte Kinder entwickeln vermutlich eine Art Schmerzgedächtnis und neigen später zu schwereren Verläufen.

Migräne-Tagebuch kann hilfreich sein

Welches die ideale Behandlung Kopfschmerzen Kurieren mit Köpfchen ist, hängt vom Einzelfall ab. Eindeutig ist lediglich: Solange Kinder eine Attacke problemlos «ausschlafen» können, reicht es, das Zimmer zu verdunkeln und für Ruhe zu sorgen. Wenn die Schmerzen bestehen bleiben, helfen rezeptfreie Schmerzmittel Schmerzmittel Rezeptfrei heisst nicht harmlos . Sie müssen frühzeitig, also bei den ersten Anzeichen eines Anfalls, verabreicht werden und richtig dosiert sein. Bei einigen Kindern zeigen vorbeugende Entspannungstechniken wie Biofeedback gute Ergebnisse. Einige Studien schreiben der chinesischen Medizin Erfolge zu.

Für Schulkinder kann es sinnvoll sein, in ein Migräne-Tagebuch einzutragen, wann sie Schmerzen hatten und was zuvor geschah. Einige haben allein dadurch weniger Anfälle, da sie lernen, Situationen zu vermeiden, die Migräne auslösen. Und für Ärzte ist das Tagebuch ein Hilfsmittel für die Behandlung.

Zur Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln wurde bisher wenig geforscht. Vitamin D, Vitamin B2, das Antioxidans Coenzym Q10 oder eine Magnesiumkur können eventuell helfen. Bei Mädchen, die menstruieren, sollte man abklären, ob sie an einem Eisenmangel leiden.

Migräne-Medikamente für Kinder oft nicht zugelassen

Wenn nichts hilft und ein Kind mehrmals pro Monat schwere Attacken hat, empfehlen beide Experten spezielle Migränemedikamente wie Triptane – obwohl die meisten für Kinder gar nicht zugelassen sind. Er habe lange gezögert, sagt Iff. Aber heute sehe er schwerere Migräneverläufe mit wöchentlichen Attacken. «Man darf das Risiko nicht in Kauf nehmen, dass das chronisch wird.»

Wenn Triptane nicht helfen, rät die Schweizerische Kopfwehgesellschaft in schweren Fällen zur Langzeitvorbeugung mit Medikamenten. Die Nebenwirkungen können stark sein. Aber wenn Neurologe Iff von Jugendlichen erzählt, die täglich unter quälenden Kopfschmerzen leiden, liest man die Packungsbeilage mit anderen Augen.

Hoffnung setzen beide Mediziner in ein vielversprechendes Mittel, das diesen Sommer auf den Markt kommen soll. Es blockiert Proteine, die bei Anfällen ausgeschüttet werden. Unklar ist noch, ob es sich für Kinder eignet.

Agosti nennt die Migräne einen bunten Vogel. Man lässt ihn besser nicht zu lange flattern.

So beugen Eltern Migräne vor

  • Für regelmässige Mahlzeiten sorgen, Frühstück gehört dazu

  • Genügend Schlaf

  • Genügend trinken

  • Keine Colas, Energydrinks, Eistees

  • Schulische Überforderung vermeiden

  • Im Alltag Ruhepausen einbauen

  • Bildschirmzeit beschränken, insbesondere für Videogames

  • Weitere Informationen

  • Buchtipp

BUCHTIPP: Migräne & Kopfschmerzen. Ein Fachbuch für Hausärzte, Fachärzte, Therapeuten und Betroffene», Reto Agosti, Hans-Christoph Diener, Volker Limmroth (Hg.), Verlag Karger, 2015, 416 Seiten, Fr. 88.

Quelle: .beobachter.ch

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