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Wenn die Blase schwächelt


Inkontinenz ist eine Volkskrankheit – Millionen Deutsche leiden darunter. Trotzdem ist Blasen­schwäche ein Tabuthema. Viele Betroffene nehmen die Beschwerden einfach hin, nicht nur aus Scham, sondern auch aus Unwissenheit. Dabei lässt sich Inkontinenz oft erfolgreich behandeln.

Das Wichtigste ist: Nicht abwarten, sondern handeln.

Jeder Zehnte ist davon betroffen

„Mir ist dieses Thema echt unangenehm und deswegen war ich auch noch nicht bei einem Arzt“, schreibt die vierfache Mutter Tina in einem Internetforum. Seit zwei Jahren macht sie sich regelmäßig in die Hose, wenn sie husten muss. In Deutschland hat etwa jeder Zehnte seine Blase nicht unter Kontrolle - mit dem Alter steigt das Risiko. Tina leidet vermutlich unter einer Belastungsinkontinenz. Lastet Druck auf dem Bauchraum, wie beim Husten, Niesen oder schweren Heben, geht unfreiwillig Urin verloren. Der Schließmechanismus der Harnröhre funk­tioniert nicht mehr zuverlässig. Ursache ist meist ein schwacher Beckenboden. Der ist bei Frauen schwächer ausgeprägt als bei Männern. Schwangerschaften und Geburten wie im Fall von Tina beanspruchen ihn zusätzlich.

Kein reines Frauenproblem

Frauen leiden zwei- bis viermal häufiger unter Blasenschwäche als Männer. Während Belastungsinkontinenz öfter Frauen trifft, leiden Männer meist unter Dranginkontinenz. Bei dieser Form liegt eine Fehlfunktion des Blasenmuskels vor. Der Harndrang tritt plötzlich auf und ist so stark, dass der Urin nicht mehr gehalten werden kann, obwohl die Blase noch nicht voll ist. Diese Blasenschwäche kann eine Folge von Harnwegsinfektionen, von neurologischen Erkrankungen oder einer Prostata­vergrößerung sein, auch psychosomatische Ursachen sind möglich.

Beckenboden und Blase trainieren

Beckenbodentraining. Gezielte Übungen stärken die Beckenbodenmuskulatur. Sie lassen sich nach fachlicher Einweisung auch zuhause durchführen.

Oft nehmen Betroffene ihre Beschwerden einfach hin – nicht nur aus Scham, auch aus Unwissenheit. Viele denken, dass sich Blasenleiden nicht therapieren lassen. „Doch das stimmt nicht“, sagt Professor Dr. Daniela Schultz-Lampel, Urologin und Leiterin des Kontinenzzentrums Südwest. „Zwar gilt: Je früher die Diagnose Inkontinenz gestellt wird, umso besser. Für eine Behand­lung ist es aber nie zu spät.“ Therapie der ersten Wahl bei Belastungs­inkontinenz ist gezieltes Beckenbodentraining.

Der Beckenboden, ein Geflecht aus Muskeln, Sehnen und Bändern, verläuft vom Steiß­bein zu den beiden Sitzbeinhöckern hin zum Schambein. Er stabilisiert die Organe des Bauch- und Beckenraums. „Um auch die richtigen Muskeln zu trainieren, sollten die Übungen am besten unter physiotherapeutischer Anleitung erlernt werden“, sagt Schultz-Lampel. Dann sorgt regelmäßiges und konsequentes Training für eine dauerhaft gestärkte Muskulatur. Ein trainierter Beckenboden kann auch helfen, Drang­beschwerden zu verringern. Beckenboden­übungen empfehlen sich deshalb auch bei Dranginkontinenz. Ebenso nützt ein Blasentraining. Dabei werden die Abstände zwischen den Toilettengängen schritt­weise vergrößert.

Präparate mit Einschränkung geeignet

Parallel zum Blasentraining wird Dranginkontinenz meist medikamentös mit Anticholinergika behandelt. Sie sollen die Blasenmuskulatur entspannen, sodass sich die Blase stärker dehnen und mehr Inhalt fassen kann. Dazu zählen die verschreibungspflichtigen Wirkstoffe Oxybutynin, Tolterodin, Fesoterodin, Trospium, Propiverin, Darifenacin und Solifenacin. Die Stiftung Warentest bewertet alle als „mit Einschränkung geeignet“. Sie bessern die Beschwerden bei einem Großteil der Betroffenen nicht spürbar oder nur geringfügig und können außerdem Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung und Sehstörungen mit sich bringen. Zur Behandlung von Belastungsinkontinenz ist nur ein Wirkstoff zugelassen und nur für die Therapie von Frauen

Duloxetin. Er steigert die Spannung des Harnröhrenschließmuskels, der die Blase so länger dichthalten kann. In Studien brachen viele Frauen die Behandlung wegen der Nebenwirkungen ab. Duloxetin verursacht etwa Übelkeit, Mundtrockenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schlaflosigkeit, Verstopfung. Bis sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis sicher einschätzen lässt, bewertet die Stiftung Warentest auch diesen verschreibungspflichtigen Wirkstoff als „mit Einschränkung geeignet“.

Hilfsmittel für mehr Sicherheit

Um den Alltag mit Inkontinenz zu erleichtern, gibt es diverse Hilfs­mittel. Inkontinenzeinlagen zum Beispiel können Urin binden und speichern, die empfindliche Haut trocken halten und eine unangenehme Geruchsentwicklung verhindern. Gerade Frauen behelfen sich aus Scham oft mit Damenbinden und Slipeinlagen. Die sind wegen ihrer geringen Saugfähigkeit für Urin bei Blasenschwäche aber ungeeignet.

Tipp: Inkontinenzeinlagen können auch vom Arzt verschrieben werden. Krankenkassen erstatten aber meist nur Hilfs­mittel bestimmter Anbieter, mit denen sie Verträge haben. Fragen Sie bei Ihrer Kasse nach.

Die Erfolgschancen sind gut

Pauschale Empfehlungen bei Harnin­kontinenz gibt es nicht. Das gelte auch für Erfolgsraten, sagt die Pflegewissenschaftlerin Dr. Daniela Hayder-Beichel. Im Auftrag der unabhängigen Cochrane Collaboration befasst sie sich mit der Wirksamkeit von Therapiemaßnahmen bei Inkontinenz. „Blasenschwäche lässt sich oft erfolgreich behandeln. So zeigen Studien, dass konservative Methoden wie Beckenbodentherapie bei vielen positive Effekte erzielen“, sagt sie. „Jede Behandlung muss aber individuell abgestimmt werden. Sie richtet sich nach Ursache, Art sowie Stärke der Inkontinenz und nach der Lebenssituation.“ Auch invasive Therapien wie Operationen können helfen. Sie kommen aber erst in Betracht, wenn konservative Behandlungen die Beschwerden nicht ausreichend bessern und Medikamente nicht wirken oder nicht vertragen werden. „Es ist wichtig, den Mut zu fassen und das Problem anzusprechen“, sagt Hayder-Beichel. Die erste Anlaufstelle ist meist der Hausarzt, für Frauen auch der Gynäkologe. Interdisziplinäre Hilfe finden Betroffene in Kontinenz- und Beckenbodenzentren.

Für weitere Fragen, sprechen Sie mit uns.

Quellen- Stiftung Warentest

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